Die Kleinigkeiten sind oft die größten Taten ...

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Beschreibung

Francine Christophe *18.08.1933

Zeitzeugin, Videoaufnahme https://youtu.be/gXGfngjmwLA

Das Kameralicht spiegelt sich in ihren Brillengläsern. Die Lippen sind rot geschminkt, die weißen Haare sorgfältig frisiert. Die Seniorin spricht im YouTube-Video Französisch:

"Mein Name ist Francis Christophe. Ich wurde am 18. August 1933 geboren. Das war das Jahr der Machtübernahme Hitlers." Francine Christophe hält einen gelben Stern in die Kamera, darauf steht >>Juif<<. "Sehen Sie. Das ist mein Stern. Acht Jahre war ich alt, als ich ihn tragen musste. Und als ich in Bergen-Belsen war, geschah eine erstaunliche Sache.

Als Kinder von Kriegsgefangenen waren wir priviligiert. Wir durften etwas von zu Hause mitnehmen. Eine kleine Tasche mit zwei oder drei kleinen Sachen. Eine Frau nahm Schokolade mit, eine andere etwas Zucker, eine dritte eine Handvoll Reis. Meine Mutter hatte zwei kleine Stücke Schokolade eingepackt. Sie sagte zu mir: 'Spar dir das für einen Tag auf, an dem es dir richtig schlecht geht und an dem du wirklich Hilfe brauchst. Dann werde ich dir die Schokolade geben und du wirst dich besser fühlen.'

Eine der Frauen, die mit uns eingesperrt waren, war schwanger. Sie war so dünn. Und dann kam der Tag als die Wehen begannen. Sie ging mit meiner Mutter ins Lagerkrankenhaus, denn meine Mutter war Chefin der Baracke. Bevor sie gingen, fragte meine Mutter mich: 'Erinnerst du dich an die Schokolade, die ich für dich aufgehoben habe?' 'Ja, Mama. Ich würde sie gerne der Frau geben. Sie wird eine schwere Geburt haben, vielleicht sirbt sie. Wenn ich ihr die Schokolade gebe - vielleicht hilft es ihr. Ja, Mama, mach das.'

Helene gebar das Baby. Ein kleines, winziges Etwas. Helene aß die Schokolade. Sie starb nicht. Sie kam zurück zu den Baracken.

Vor ein paar Jahren fragte mich meine Tochter: 'Wenn ihr Deportierten nach eurer Haft psychologische Unterstützung bekommen hättet - wäre alles dann vielleicht leichter für euch gewesen?' Ich antwortete: 'Ohne Zweifel. Aber wir hatten sie nicht. Niemand dachte damals an mentale Schäden. Aber du hast mich auf eine Idee gebracht!' Daraufhin organisierte ich eine Konferenz mit dem Thema Wenn die Überlebenden der Konzentrationslager 1945 eine therapeutische Beratung gehabt hätten - was wäre dann geschehen? Die Veranstaltung zog viele Gäste an. Ältere Überlebende, Historiker und viele Psychologinnen, Psychoanalytiker, Psychotherapeuten. Auf einmal trat eine Frau ans Podium und sagte: 'Ich lebe in Marseille. Dort bin ich Psychiaterin. Bevor ich meinen Vortrag halte, möchte ich Francine Christope etwas geben.'

Sie steckte eine Hand in die Tasche und zog ein Stück Schokolade heraus. Sie gab es mir. Und sie sagte: 'Ich bin das Baby.'